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Zukunft der Neurologie - Das Jahrzehnt der Hirngesundheit
1948 – vor genau 75 Jahren – wurde in Klagenfurt die Abteilung für Neurologie etabliert. Zuvor wurden neurologische Erkrankungen im Rahmen der psychiatrischen oder internistischen Versorgung behandelt. Die Therapie von Kriegsverletzungen des Gehirns stand im Vordergrund.
„In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich das Fach kontinuierlich weiter und behandelt heute sämtliche Erkrankungen des Nervensystems nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen“, berichtet Prim. Univ.-Prof. Dr. Jörg Weber, Abteilungsvorstand der Neurologie im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee. „Ein hochspezialisiertes, interdisziplinäres Team aus Medizinern, Pflegemitarbeitern und Therapeuten sorgt dafür, dass Patientinnen und Patienten größtmögliche Lebensqualität erreichen, wobei gerade Pflegeberufe und die Therapeuten eine Schlüsselrolle einnehmen“, betont Margarete Peternel-Scheiber, Pflegedirektorin im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee.
„Die Neurologie am Klinikum Klagenfurt hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu eine der federführenden neurologischen Abteilungen in Österreich entwickelt. Vor allem die neurologische Intensivstation ist eine der wenigen dafür spezialisierten Intensivstationen Österreichs“, betont Gesundheitsreferentin Dr. Beate Prettner. „Mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Jörg Weber hat die Neurologie einen weit über unsere Grenzen hinaus bekannten und geschätzten Abteilungsvorstand. Ich danke an dieser Stelle Primarius Weber ganz herzlich! Ich danke auch seinem Team – es ist ein hochspezialisiertes, interdisziplinäres Team aus Medizinern, Pflegemitarbeitern und Therapeuten, das pro Jahr rund 4000 Patientinnen und Patienten stationär betreut“, so Prettner. Sie weist darauf hin, dass vor allem die Neurologie ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Fachbereichen verlangt – „und weit über die Akutversorgung hinausreicht: Viele Patienten bedürfen eines Reha-Aufenthaltes. Hier bietet Kärnten speziell mit der Gailtal-Klinik, der Abteilung für Neurologische Rehabilitation, einen kongenialen Partner.“
Aktionsplan der WHO
Die Bedeutung des Faches Neurologie wird in Zukunft steigen, sind sich Fachexperten sicher. Ein Blick auf die Zahlen zeigt bereits heute das immense Gewicht der Neurologie in der Medizin. „Weltweit sind jährlich rund 9 Millionen Todesfälle auf neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Meningitis, Epilepsie oder Demenz zurückzuführen. Die Kosten für Therapien bzw. Pflege und Betreuung belaufen sich auf mehr als 800 Milliarden Euro pro Jahr. Aufgrund der demografischen Situation, werden diese Zahlen noch weiter steigen“, analysiert Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold, Präsident der World Federation of Neurology. Vor diesem Hintergrund rief die Gesundheitsorganisation WHO auch den Aktionsplan der Hirngesundheit ins Leben. Grisold: „Ziel ist es, die globale Versorgung weiter zu stärken und neue Behandlungen bzw. Therapien zu etablieren. Denn: Viele Todesfälle aber auch schwerwiegende Folgen eines akuten neurologischen Ereignisses sind durch frühzeitige Diagnosen und kompetente Versorgung vermeidbar.“ Der Aktionsplan bezieht sämtliche Stakeholder mit ein. Von Regierungen über Zivilgesellschaften bis hin zu Gesundheitseinrichtungen.
Innovationen am Beispiel Schlaganfall
War der Schlaganfall noch vor wenigen Jahren eine nahezu unbehandelbare Erkrankung, ist es nun durch die medikamentöse Auflösung von Blutgerinnsel sowie durch deren mechanische Entfernung mittels spezielle Katheder möglich, die Zerstörung von Gehirnzellen zu reduzieren oder ganz zu verhindern. Dieses Verfahren wird von speziell ausgebildeten interventionellen Radiologen durchgeführt. Das Klinikum Klagenfurt am Wörthersee spielte bei der Einführung der sogenannten Thrombektomie übrigens eine zentrale Rolle in Österreich.
„Der Schlaganfall ist immer noch die häufigste Ursache von Behinderung bei Erwachsenen. Das perfekte Zusammenspiel des interdisziplinären Schlaganfallteams und der nachfolgenden Rehabilitation, führt zu einer belegbaren Verbesserung der Lebensqualität Betroffener“, sagt Prim. PD Dr. Julia Ferrari, Präsidentin der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft.
Multiple Sklerose
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des Gehirns, wobei körpereigene Entzündungszellen den Schaden an Neuronen im Gehirn verursachen. Neben erheblichen Fortschritten in der Diagnose, ist die Herausforderung der Zukunft, den Betroffenen eine möglichst individuelle und zielgerichtete Therapie anzubieten (Präzisionsmedizin). „Moderne Therapien ermöglichen ein nahezu normales Leben für die Erkrankten“, erklärt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie, Univ.-Prof. PD Dr. Christian Enzinger. In Kärnten werden etwa 700 Patientinnen und Patienten in spezialisierten Ambulanzen behandelt. „Um diesen Menschen eine möglichst gute Therapie und auch einen zweiten Expertenblick auf die Krankheit zu ermöglichen, kooperieren das Klinikum Klagenfurt und die Abteilung für Neurologie der Medizinischen Universität Graz schon heute intensiv“, berichtet Enzinger. Zukünftig sind auch gemeinsame MS-Boards zur weiteren Verbesserung geplant.
Herausforderung Demenz
Aktuellen Schätzungen zufolge leben in Österreich bis zu 130.000 Menschen mit irgendeiner Form der Demenz. Nach Hochrechnungen der WHO werden 2050 weltweit 139 Millionen Menschen mit Demenz diagnostiziert sein. „Bei der Behandlung erwarten wir in diesem Bereich nun eine vielversprechende Neuerung“, so Weber. Tatsächlich befinden sich neue Medikamente gegenwärtig im Zulassungsverfahren. Diese beinhalten einen speziellen Antikörper, der die Eiweiße, die im Gehirn bei Demenz eingelagert werden, reduzieren. „Das könnte ein Gamechanger sein“, hofft Weber, wobei er betont, dass man „nach Zulassung der neuen Arznei nicht von Heilung sprechen wird können, aber ein Fortschreiten bei richtiger Diagnose verhindert werden könnte.“ Umso entscheidender wird künftig die Früherkennung sein. Im Klinikum Klagenfurt betreut eine interdisziplinäre Spezialambulanz in Kooperation mit der Geriatrie und der Psychiatrie Demenzkranke.